In der Gastronomiebranche ist eine durchdachte Preiskalkulation entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg. Zu niedrige Preise gefährden die Profitabilität, zu hohe Preise schrecken potenzielle Gäste ab. Dieser Leitfaden soll Ihnen helfen, ein ausgewogenes Preisgefüge zu entwickeln, das sowohl Ihre Kosten deckt als auch für Ihre Zielgruppe attraktiv bleibt.
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen der Preiskalkulation
- Wareneinsatz und Materialkosten
- Personalkosten richtig einbeziehen
- Fixkosten und Gemeinkosten
- Kalkulationsfaktoren und Aufschlagssätze
- Deckungsbeitragsrechnung
- Speisekartenstrategie und Preispsychologie
- Digitale Hilfsmittel für die Kalkulation
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
- Beispielkalkulationen
- Fazit
Grundlagen der Preiskalkulation
Die Preiskalkulation in der Gastronomie basiert auf mehreren Säulen:
Die Kostenstruktur verstehen
Bevor Sie mit der eigentlichen Kalkulation beginnen, müssen Sie Ihre Kostenstruktur genau kennen. Diese umfasst:
- Wareneinsatz: Kosten für Lebensmittel und Getränke
- Personalkosten: Löhne, Gehälter, Sozialabgaben
- Fixkosten: Miete, Energie, Versicherungen, etc.
- Variable Kosten: Verbrauchsmaterialien, Reinigung, etc.
- Abschreibungen: Für Einrichtung, Geräte und Ausstattung
Der Kalkulationsweg
- Bottom-up-Kalkulation: Beginnt mit den Kosten und addiert den gewünschten Gewinn
- Top-down-Kalkulation: Orientiert sich am Marktpreis und analysiert, ob damit die Kosten gedeckt werden können
Zielmargen definieren
Legen Sie fest, welche Gewinnmargen Sie in verschiedenen Produktkategorien erreichen möchten:
- Speisen: typischerweise 65-75% Rohertrag (Wareneinsatz 25-35%)
- Alkoholfreie Getränke: 70-80% Rohertrag
- Alkoholische Getränke: 60-75% Rohertrag
- Wein: 50-70% Rohertrag
Wareneinsatz und Materialkosten
Genaue Erfassung des Wareneinsatzes
Die Basis jeder Kalkulation ist der exakte Wareneinsatz. Dafür benötigen Sie:
- Standardisierte Rezepte: Jedes Gericht braucht ein präzises Rezept mit exakten Mengenangaben
- Aktuelle Einkaufspreise: Regelmäßig aktualisierte Preislisten Ihrer Lieferanten
- Berücksichtigung von Putzverlusten: Besonders bei Fleisch, Fisch und Gemüse
Berechnung des Wareneinsatzes
Für jede Zutat eines Gerichts:
- Berechnen Sie den Preis pro Einheit (z.B. pro Kilogramm)
- Bestimmen Sie die genaue Menge für eine Portion
- Multiplizieren Sie Einheitspreis mit der benötigten Menge
- Addieren Sie die Kosten aller Zutaten
Beispiel: Rinderfilet mit Beilage
Zutat | Einkaufspreis | Menge pro Portion | Kosten pro Portion |
---|---|---|---|
Rinderfilet | 45,00 €/kg | 200g | 9,00 € |
Butter | 8,00 €/kg | 20g | 0,16 € |
Kartoffeln | 1,50 €/kg | 150g | 0,23 € |
Gemüse | 3,00 €/kg | 100g | 0,30 € |
Gewürze, Öl | pauschal | - | 0,25 € |
Gesamt | 9,94 € |
Umgang mit Preisschwankungen
- Saisonale Produkte können starken Preisschwankungen unterliegen
-
Lösungsansätze:
- Flexible Kalkulationsaufschläge
- Saisonale Speisekarten
- “Tagespreise” für besonders schwankungsanfällige Produkte wie Fisch
Personalkosten richtig einbeziehen
Personalkosten machen in der Gastronomie oft 30-40% des Umsatzes aus und sind damit ein entscheidender Kalkulationsfaktor.
Erfassung der Personalkosten
- Direkte Lohnkosten: Gehälter und Löhne inklusive Arbeitgeberanteile
- Indirekte Personalkosten: Urlaubszeiten, Krankheitsausfälle, Fortbildungen
- Produktivitätszeiten: Zeit, die tatsächlich für die Herstellung verwendet wird
Integration in die Kalkulation
Es gibt zwei Hauptmethoden:
- Zuschlagskalkulation: Personalkosten werden als prozentualer Aufschlag auf den Wareneinsatz berechnet
- Zeitbasierte Kalkulation: Jedes Gericht erhält einen Zeitwert für die Zubereitung, der mit dem Stundensatz multipliziert wird
Beispiel: Zeitbasierte Kalkulation
- Küchenstundensatz: 25 € (alle Personalkosten geteilt durch produktive Arbeitsstunden)
- Zubereitungszeit Rinderfilet-Gericht: 12 Minuten = 0,2 Stunden
- Personalkostenanteil: 0,2 × 25 € = 5,00 €
Fixkosten und Gemeinkosten
Fixkosten und Gemeinkosten müssen auf die einzelnen Produkte umgelegt werden.
Wichtige Fixkostenarten
- Miete und Pacht
- Energie (Grundgebühren)
- Versicherungen
- Finanzierungskosten
- Marketing
- Wartung und Instandhaltung
Umlagemethoden
- Proportionale Umlage nach Umsatz: Produkte mit höherem Umsatzanteil tragen mehr Fixkosten
- Gleichmäßige Verteilung: Fixer Betrag pro verkauftem Produkt
- Differenzierte Zuordnung: Bestimmte Kosten werden gezielt einzelnen Produktgruppen zugeordnet
Beispiel: Fixkostenumlage
- Monatliche Fixkosten: 15.000 €
- Erwarteter Monatsumsatz: 60.000 €
- Fixkostenanteil: 25% vom Umsatz
- Bei einem Gerichtepreis von 24 € entfallen somit 6 € auf Fixkosten
Kalkulationsfaktoren und Aufschlagssätze
Der Kalkulationsfaktor
Der Kalkulationsfaktor gibt an, mit welchem Wert der Wareneinsatz multipliziert werden muss, um den Verkaufspreis (ohne MwSt.) zu erhalten.
Formel:
Kalkulationsfaktor = 100 / (100 - gewünschter Rohertrag in %)
Typische Kalkulationsfaktoren
- Speisen: 3,0 - 4,0 (entspricht 67-75% Rohertrag)
- Alkoholfreie Getränke: 4,0 - 5,0 (entspricht 75-80% Rohertrag)
- Bier: 2,5 - 3,5 (entspricht 60-71% Rohertrag)
- Spirituosen: 5,0 - 7,0 (entspricht 80-86% Rohertrag)
- Wein: 2,0 - 3,0 (entspricht 50-67% Rohertrag)
Berechnung des Verkaufspreises
Beispiel: Rinderfilet-Gericht
- Wareneinsatz: 9,94 €
- Kalkulationsfaktor: 3,5 (entspricht 71,4% Rohertrag)
- Verkaufspreis (netto): 9,94 € × 3,5 = 34,79 €
- Verkaufspreis (brutto, mit 19% MwSt.): 41,40 €
Differenzierte Aufschläge
Nicht alle Produkte sollten mit dem gleichen Faktor kalkuliert werden:
- Einige Gerichte sind preissensibler als andere
- Manche Produkte dienen als “Zugpferde”
- Konkurrenzpreise müssen berücksichtigt werden
Deckungsbeitragsrechnung
Die Deckungsbeitragsrechnung hilft, die Profitabilität einzelner Produkte zu bewerten.
Deckungsbeitrag I (DB I)
DB I = Verkaufspreis (netto) - Wareneinsatz
Zeigt, wie viel nach Abzug der direkten Warenkosten übrig bleibt.
Deckungsbeitrag II (DB II)
DB II = DB I - direkt zurechenbare Personalkosten
Berücksichtigt zusätzlich die direkten Personalkosten für die Zubereitung.
Deckungsbeitrag III (DB III)
DB III = DB II - direkt zurechenbare Fixkosten
Zieht auch produktspezifische Fixkosten ab (z.B. spezielle Geräte).
Anwendung in der Produktoptimierung
- Produkte mit hohem DB sind besonders wertvoll
-
Produkte mit niedrigem DB sollten:
- entweder im Preis erhöht werden
- kostengünstiger produziert werden
- oder aus dem Angebot genommen werden
Speisekartenstrategie und Preispsychologie
Menümatrix nach BCG
Analysieren Sie Ihre Produkte nach:
- Stars: Hoher Absatz, hoher Deckungsbeitrag - Flaggschiffprodukte
- Arbeitstiere: Hoher Absatz, niedriger Deckungsbeitrag - Umsatzbringer
- Puzzles: Niedriger Absatz, hoher Deckungsbeitrag - Spezialitäten
- Hunde: Niedriger Absatz, niedriger Deckungsbeitrag - Problemprodukte
Preispsychologische Aspekte
- Preisschwellen beachten: 9,90 € statt 10,00 €
- Ankerpreise setzen: Ein teures Produkt lässt andere günstiger erscheinen
- Preisendungen: Preise, die auf ,90 oder ,95 enden, werden als günstiger wahrgenommen
- Preisstaffelung: Deutliche Preisunterschiede zwischen Standard und Premium
- Vermeide Cent-Beträge bei höherpreisigen Gerichten (26 € statt 25,99 €)
Speisekartengestaltung
- Positionieren Sie gewinnstarke Gerichte an prominenten Stellen (oben rechts)
- Heben Sie besonders rentable Gerichte hervor
- Vermeiden Sie preisliche Sortierung, um Preisvergleiche zu erschweren
- Setzen Sie auf aussagekräftige Beschreibungen, die den Wert vermitteln
Digitale Hilfsmittel für die Kalkulation
Gastro-Spezialsoftware
- Vorteile: Integration mit Warenwirtschaft, automatische Aktualisierung von Einkaufspreisen
- Beispiele: Gastrofix, Orderbird Pro, Foodnotify, Implabs
Tabellenkalkulationsprogramme
- Flexibel anpassbar
- Kostengünstige Alternative
- Kann mit selbst erstellten Formeln und Berechnungen arbeiten
Mindestanforderungen an die Kalkulation
- Rezepturverwaltung mit genauen Mengenangaben
- Aktuelle Einkaufspreise
- Automatische Berechnung von Verkaufspreisen
- Auswertungsmöglichkeiten nach verschiedenen Kriterien
- Simulation von Preisänderungen
Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
Prüfintervalle
- Wareneinsatz: monatlich oder bei deutlichen Preisänderungen
- Komplette Kalkulation: halbjährlich oder jährlich
- Spezialanalysen: nach Bedarf, z.B. bei auffälligen Gewinnrückgängen
Kennzahlen im Blick behalten
- Food Cost Ratio: Wareneinsatz in % vom Umsatz (Ziel: 25-35%)
- Prime Cost: Summe aus Wareneinsatz und Personalkosten (Ziel: < 65%)
- Durchschnittlicher Bon-Wert: Gesamtumsatz geteilt durch Anzahl der Gäste
- Umsatz pro Sitzplatz: Wichtig für die Kapazitätsplanung
Anpassungsstrategien
- Portionsgrößen optimieren: Oft besser als Preiserhöhungen
- Zutaten substituieren: Wenn sinnvoll und qualitativ vertretbar
- Saisonale Angebote: Günstigere Produkte in der Hauptsaison
- Kreative Präsentation: Kann höhere Preise rechtfertigen
Beispielkalkulationen
Beispiel 1: Klassisches Hauptgericht
Rinderfilet mit Kartoffelgratin und Gemüse
Kostenart | Betrag |
---|---|
Wareneinsatz | 9,94 € |
Personalkosten (12 Min.) | 5,00 € |
Anteilige Fixkosten | 6,00 € |
Gewünschter Gewinn | 3,00 € |
Verkaufspreis (netto) | 23,94 € |
Mehrwertsteuer (19%) | 4,55 € |
Verkaufspreis (brutto) | 28,49 € |
Preislich gerundet | 28,90 € |
Beispiel 2: Cocktail
Mojito
Kostenart | Betrag |
---|---|
Rum (5cl) | 1,25 € |
Limette | 0,30 € |
Minze | 0,15 € |
Zucker | 0,05 € |
Soda | 0,10 € |
Eis | 0,15 € |
Wareneinsatz gesamt | 2,00 € |
Kalkulationsfaktor | 5,0 |
Verkaufspreis (netto) | 10,00 € |
Mehrwertsteuer (19%) | 1,90 € |
Verkaufspreis (brutto) | 11,90 € |
Preislich gerundet | 11,90 € |
Beispiel 3: Mittagsmenü
Tagesspezialmenu (3-Gänge)
Gang | Wareneinsatz | Kalk.-Faktor | Einzelpreis (netto) |
---|---|---|---|
Vorspeise | 1,50 € | 4,0 | 6,00 € |
Hauptgang | 4,50 € | 3,5 | 15,75 € |
Dessert | 1,00 € | 4,0 | 4,00 € |
Summe Einzelpreise | 25,75 € | ||
Menupreis (netto) | 22,00 € | ||
Mehrwertsteuer (19%) | 4,18 € | ||
Menupreis (brutto) | 26,18 € | ||
Preislich gerundet | 26,90 € |
Fazit
Eine durchdachte Preiskalkulation ist einer der wichtigsten Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg in der Gastronomie. Sie erfordert:
- Präzise Datenbasis: Genaue Kenntnis aller Kosten
- Systematische Herangehensweise: Klare Kalkulationsmethode
- Regelmäßige Überprüfung: Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen
- Marktkenntnis: Wissen über Zielgruppe und Wettbewerb
- Kreativität: Bei der Optimierung von Angebot und Preisgestaltung
Professionelle Preiskalkulation ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der regelmäßig überprüft und angepasst werden muss. Mit den richtigen Werkzeugen und Methoden können Sie ein Preissystem entwickeln, das sowohl wirtschaftlich nachhaltig ist als auch von Ihren Gästen akzeptiert wird.
Bedenken Sie stets: Der optimale Preis liegt dort, wo Sie einen gesunden Gewinn erzielen und gleichzeitig Ihre Gäste das Gefühl haben, ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten.